»Das Mädchen, mit dem die Kinder nicht verkehren durften« – Irmgard Keuns erster Exilroman als ungekürzte Lesung mit Jodie Ahlborn
Erzählt wird von einem Mädchen, das behütet im Kreise seiner Familie aufwächst, sich immer wieder Ärger aufhalst und dabei überhaupt nicht versteht, warum die Erwachsenenwelt über seine ausgeklügelten Pläne der Wiedergutmachung ganz und gar nicht erfreut ist. In Köln kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs schlittert die zu Beginn des Romans Zehnjährige von einer wunderlichen Begebenheit in die nächste, schließt Freundschaft mit Soldaten und kämpft mit ihrer »Horde der rasenden Banditen« für eine gerechtere Welt. Dass ihre Mutter beim Verhandlungsgespräch mit den Geschäftspartnern des Vaters plötzlich Schnecken verspeist, die Kinder sich vor Engländern in Acht nehmen sollen und auf einmal niemand mehr mit ihr spielen darf, findet sie sonderbar und ungerecht, und überhaupt scheinen die Erwachsenen nicht immer die Wahrheit zu sagen. Und das, obwohl sie doch so oft danach fragt. Nach »Kind aller Länder« erscheint nun auch diese Produktion des hr als Hörbuch beim DAV.
»Ein General hat tausend und abertausend Soldaten – ich wüsste nicht, was ich als General mit denen von morgens bis abends anfangen sollte.«
Was für den erwachsenen Hörer als historisches Fundament unumgänglich zwischen den Zeilen steht, ist für das Mädchen, gesprochen von Jodie Ahlborn, reine Nebensache. Das Leben ist schließlich auch ohne Krieg schon kompliziert genug. Gerade als Hörbuch schafft Irmgard Keuns 1936 in Amsterdam erschienener Exilroman Zugang zu einer Perspektive, die so voller kindlichem Leichtsinn steckt, dass der erschütternde Kriegsalltag fast wie eine ferne Parallelwelt erscheint, die sich jedoch nicht in allen Momenten aus dem Blickfeld verbannen lässt.
Eine literarische Verbindung zwischen Kindheit und Erwachsensein
Jodie Ahlborn sprach neben anderen Hörbüchern bereits »Kind aller Länder« ein und leiht dem hr für die ungekürzte Lesung von »Das Mädchen, mit dem die Kinder nicht verkehren durften« erneut ihre Stimme. Trotzig und doch leicht und versonnen lässt sie den Hörer immer wieder über die törichten Einfälle des Mädchens schmunzeln und sorgt somit dafür, dass ihm das routinierte Erwachsenenleben so manches Mal fast ein bisschen zu brav erscheint. Irmgard Keuns »Das Mädchen, mit dem die Kinder nicht verkehren durften« zeichnet ein authentisches Bild Deutschlands am Ende eines verlorenen Krieges. Und das einer Kindheit zwischen herrlicher Unbefangenheit und drängender Neugier. Die ungekürzte Lesung des hr erscheint als Hörbuch auf vier CDs bei Der Audio Verlag.