Jewgenij Samjatins bitterböser Zukunftsroman »Wir« als Hörspiel bei DAV 26. Jahrhundert, das Mathematische Zeitalter ist angebrochen und die glückliche Nummer D-503 berichtet begeistert von den Errungenschaften des »Einzigen Staates«, wo die Menschen endlich Nummern und dem unzivilisierten Zustand der Freiheit entwachsen sind. In gläsernen Wohnungen führen sie ein glückliches Leben unter dem segensreichen Joch der Vernunft, jeder Bereich ihres Lebens ist bis auf die Sekunde genau durch die »Gesetzestafeln« geregelt. D-503 preist dieses vollkommene Glück des Einheitlichen Staates in seinen Aufzeichnungen. Doch dann verliebt er sich in die rebellische I-330, die ihm die Welt jenseits der gläsernen Stadt zeigt und seinen Glauben an das System ins Wanken bringt. Samjatins bitterböser utopischer Zukunftsroman hat auch heute, im Zeitalter gläserner Identitäten und der zunehmenden Überwachung von Seiten des Staates und multinationaler Konzerne, nichts von seiner Aktualität eingebüßt.
Die wechselvolle Geschichte des Klassikers von Jewgenij Samjatin
Schon 1920, als Jewgenij Samjatin seinen utopischen Zukunftsroman »Wir« abfasste, war sein Vertrauen in die russischen Machthaber erschüttert. Erst 1931, nach vielen Jahren der Enttäuschung – seine Werke wurden verbannt, seine Theaterstücke nicht mehr aufgeführt – schrieb er verbittert an Josef Stalin: »Ich bitte um die Erlaubnis, mit meiner Frau ins Ausland zu gehen, mit dem Recht zurückzukehren, sobald es in unserem Land möglich ist, großen Ideen in der Literatur zu dienen, ohne vor kleinen Leuten zu Kreuze zu kriechen.« Die Ausreise wurde gewährt, und sein regimekritischer Roman »Wir« sollte trotz der Schikanen seine Leser finden. Schon früh gelangte eine Kopie von Samjatins Roman außer Landes, sodass er in England, Frankreich und Tschechien übersetzt werden konnte. Wie schon George Orwell in einer Rezension von 1946 bemerkte, weist »Wir« zahlreiche Parallelen zu Aldous Huxleys »Schöne neue Welt« auf und gilt heute auch als Vorläufer von George Orwells »1984«. Erst 1958 erschien die deutsche Übersetzung von Samjatins »schwarzer« Utopie im Verlag Kiepenheuer & Witsch, der kürzlich mit Leif Randts »Planet Magnon« erneut eine Utopie herausgebracht hat, die man in die Linie Samjatin, Huxley, Orwell einreihen kann.
Ein Hörspiel, das es in sich hat – eine aufwendige Produktion von SWR2
Bei Der Audio Verlag erscheint Jewgenij Samjatins Zukunftsroman »Wir« in einer Bearbeitung von Ben Neumann als aufwendige Hörspielproduktion von SWR2. Angestoßen von Regisseur Christoph Kalkowski entstand die Produktion in Zusammenarbeit mit dem Radio-Sinfonie-Orchester Stuttgart, mit eigens für das Hörspiel komponierter Musik von Raphael Thöne. So ist ein beeindruckendes Hörspiel entstanden, das nicht zuletzt wegen der stimmlichen Leistung von Hanns Zischler, Andreas Pietschmann und Jana Schulz ein Muss für jeden Hörspiel-Fan ist.
Ein prominent besetztes Sprecherensemble für ein beeindruckendes Hörspiel von SWR2
Mit sanfter Stimme führt Andreas Pietschmann den systemtreuen D-503 ein und schafft es eindrücklich, dem Hörer die voranschreitende Dekonstruktion des Charakters zu vermitteln. Mit Hanns Zischler als »Wohltäter« ist zudem ein versierter Sprecher verpflichtet worden, der für DAV die Hörbücher von Helmut Schmidt eingesprochen hat und mit seiner vollen Stimme den ideologischen Ausführungen des Machthabers in »Wir« Nachdruck verleiht. Verführerisch und mitreißend erweckt die Schauspielerin Jana Schulz den Charakter der I-330 zum Leben. Es ist ein wunderbares Hörspiel entstanden, das Jewgenij Samjatins »Wir« in neuem Glanz erstrahlen lässt. Das Hörspiel erscheint bei DAV auf zwei CDs mit einem mehrseitigen Booklet.