Eine verhängnisvolle Liebe. Nach „Der Apfelsammler“ schreibt Anja Jonuleit in „Rabenfrauen“ über zwei Frauenschicksale vor dem Hintergrund der Colonia Dignidad.
Sommer 1959. Die Freundinnen Ruth und Christa verlieben sich in den jungen Freikirchler Erich. Als dieser mit dem charismatischen Prediger Paul Schäfer nach Chile geht, um ihm beim Aufbau einer christlichen Gemeinschaft, der Colonia Dignidad, zu helfen, folgt ihm die lebenshungrige Christa, während Ruth zurückbleibt. Doch was als Abenteuer beginnt, wird bald zum Albtraum. Noch Jahrzehnte später plagt Ruth das Schuldgefühl, die beiden nicht aufgehalten zu haben. Als ihre Tochter Anne nach Grösitz zurückkehrt und sich mit einer aus Chile zugezogenen Familie anfreundet, ist Ruth außer sich. Aber warum? Was steckt hinter der seltsam rückwärtsgewandt anmutenden Familienidylle? Immer neue Details aus Ruths Vergangenheit kommen nun ans Tageslicht, und Anne beschleicht das Gefühl, dass ihre Mutter ihr etwas Grundsätzliches verschweig. Anne, Ruth und Christa: Anja Jonuleit erzählt in „Rabenfrauen“ die berührende und erschütternde Geschichte dreier außergewöhnlicher Frauenschicksale und über die zerstörerische Kraft der Colonia Dignidad.
Colonia Dignidad – Die Kolonie der Würde
Anja Jonuleit widmet sich in „Rabenfrauen“ einem dunklen Kapitel deutscher Geschichte, das noch heute nicht vollständig aufgearbeitet ist. 1960 folgten mehrere Familien dem evangelischen Jugendpfleger und Prediger Paul Schäfer nach Chile, wo er gemeinsam mit ihnen 1961 die Colonia Dignidad gründete. Kurz vor der Auswanderung nach Chile waren Vorwürfe wegen Kindesmissbrauchs gegen Paul Schäfer laut geworden. Entgegen der Erwartungen wurden die Mitglieder der Gemeinschaft zu schwersten Arbeiten herangezogen und scharf überwacht. Paul Schäfer begründete auf dem streng abgeschotteten Gelände der Colonia eine Art Schreckensherrschaft, Familien wurden auseinandergerissen, die Mitglieder der Sekte physisch und psychisch gefoltert, Kinder missbraucht. Unter dem Deckmantel eines Mustergutes, das die weitgehend autarke Versorgung gewährleistete, wurden später auch Regimegegner der Pinochet-Regierung gefangen gehalten, gefoltert und ermordet. Obwohl die deutschen Behörden schon früh Kenntnis von den Vorgängen in der Colonia Dignidad hatten, blieben rechtliche Schritte bis in die 90er Jahre aus. 1996 tauchte Paul Schäfer schließlich unter, die Colonia bestand allerdings noch bis der Sektenführer 2005 festgenommen werden konnte. Im April 2006 veröffentlichten 140 Mitglieder der Sekte ein Schuldbekenntnis, die von der chilenischen Presse veröffentlicht wurde. Heute besteht die Colonia Dignidad unter dem Namen „Villa Baviera“ und wird von in Chile verbliebenen Mitgliedern der Gruppe als Hof und Hotel im Stile bayerischer Folkloristik weitergeführt.
„Rabenfrauen“ Eine eindrückliche Lesung von Der Audio Verlag mit Marie Gruber, Marion Martienzen und Birte Schnöink
Für DAV haben die Sprecherinnen Marie Gruber, Marion Martienzen und Birte Schnöink die Geschichte vor dem Hintergrund dieser Ereignisse eingelesen. Marie Gruber, geboren 1955 in Wuppertal, verleiht Ruth ihre Stimme. Die Schauspielerin ist dem breiten Publikum durch den „Polizeiruf 110“ und ihre zahlreichen Kinorollen, u. a. im Oscar-prämierten Film „Das Leben der Anderen“ sowie in der internationalen Produktion „Der Vorleser“ bekannt. Für DAV liest sie regelmäßig die Geschichten um die resolute Online-Omi Renate Bergmann ein. Marion Martienzen, geboren 1953 in Berlin, liest neben ihrer Arbeit als Schauspielerin Hörbücher ein, für Der Audio Verlag hat sie schon das vorangegangene Hörbuch „Der Apfelsammler“ (gekürzte Lesung auf 6 CDs), ebenfalls von Anja Jonuleit, gelesen. Birte Schnöink leiht ihre Stimme Christa, die in „Rabenfrauen“ Paul Schäfer nach Chile folgt. Die Theaterschauspielerin ist Ensemblemitglied am Thalia Theater Hamburg und wurde 2014 mit dem „Boy-Gobert-Preis“ als beste Nachwuchsschauspielerin ausgezeichnet. Das Hörbuch „Rabenfrauen“ erscheint bei Der Audio Verlag als gekürzte Lesung auf 6 CDs.