Singet dem Herrn ein neues Lied.
Ein Jazzalbum, das die Weichnachtsgeschichte erzählt Christi Geburt? Heimatlosigkeit, Flucht und Hoffnung? Wir alle erinnern uns an die so mantrahaft verlesene Weihnachtsgeschichte in der örtlichen Gemeinde. Vielen klingelt Händels „Messias“ im Kopf. Mit beidem verbindet sich die Patina von Kindheit. Und Klischee. Kurz: Wir nehmen den Inhalt der Texte lange nicht mehr wahr. Wenn wir das überhaupt je haben. Hörbuch-Regisseur Torsten Feuerstein ändert das jetzt. Er hat ein Album konzipiert, das etwas Unerhörtes zusammenführt. Das Weihnachtsevangelium und Jazz. Dazu lässt er Schauspieler Wolfram Koch die Bibeltexte lesen, als wären sie eben erst erschienen. Und er wechselt jeden Text mit neuer Musik ab. Hier kommt Komponist Rainer Oleak ins Spiel. Er bettet den Text in eine Komposition, die zwischen Jazz und zeitgenössischer Musik oszilliert. Oleak variiert einen „A 9/6/4 Akkord“, der wie ein roter Faden die Struktur der einzelnen Stücke vorgibt. Erinnerungen an die „Hydrogen Jukebox“ von Philip Glass mit ihrem patternhaften Sound und an „Lemonade“ von Beyoncé entstehen. Ein unglaublich stilsicherer musikalischer Begleiter ist in diesem Setting der Saxophonist Günther Fischer, der u.a. mit David Bowie und Armin Mueller-Stahl gearbeitet hat und arbeitet. Sein Saxophonspiel beweist altmeisterliches Können, zeigt aber auch eine fantastische Frische, als spränge Fischer mit der Musik in einen Jungbrunnen. Ronny Dehns Percussion treibt ein fast pophaftes Spiel mit der Musik. Die Bibel-Texte umspannen 1.000 Jahre: Wir steigen ein mit einem Lied, das König David in Jerusalem vor der Bundeslade singen lässt. Gerade hat er die Stadt erobert. Es ist etwa 1.000 v. Chr. Das Lied ging als Psalm 96 in das Alte Testament ein. Über Texte von Jesaja (etwa 700 v. Chr.) führt uns die Auswahl dann ins Neue Testament, zum eigentlichen Weihnachtsevangelium, zu Matthäus und zu Lukas (ja, seine Weihnachtsgeschichte ist dabei) bis zu Johannes 1,1 „Am Anfang war das Wort.“. Texte, die rund 80 bis 100 n. Chr. entstanden. Wir hören von Flucht und Vertreibung. Und von der Euphorie auf einen Ausweg aus alldem: die Geburt des Erlösers. Wir hören von Syrien, Libanon und Ägypten. Und wir hören das in einer frischen Sprache, der Neuübersetzung der Lutherbibel 2017. Alles klingt nach dem Hier und Jetzt. Plötzlich scheint man zu verstehen – vielleicht zum ersten Mal? Ein Erlebnis.